Kulturbunker Köln-Mülheim
von Berivan Kaya
Sevgi Demirkaya ist Programmleitende des Kulturbunkers Köln. Wir trafen sie, um mit ihr über die Reputation, Herausforderungen und Rolle des Kulturhauses für den Stadtteil zu reden.
Wer steckt hinter dem Kulturbunker? Wer stellt das kulturelle Programm auf und welche Kriterien sind dabei entscheidend?
Der Kulturbunker ist ein gemeinnütziger Verein, der sich nach mehreren Anläufen in den 90ern zum heutigen Kulturbunker Köln-Mülheim e. V. entwickelt hat. Entstanden ist der Kulturbunker aus einer Nachbarschaftsinitivative. Es gibt einen ehrenamtlichen Vorstand und nur drei feste Mitarbeiter*innen – meist in Teilzeit. Die Anforderungen an das Haus sind mittlerweile mit dem bestehenden Team kaum zu leisten. Deshalb sind wir dabei neue interne Strukturen zu entwickeln.
Mülheim ist der größte Stadtteil Kölns, die Bevölkerung ist sehr vielfältig. Bisher ist der Kulturbunker das einzige soziokulturelle Zentrum mit ausschließlich kulturellen Angeboten. Daher ist es uns wichtig, die Vielfalt der Gesellschaft in unserem Programm abzubilden. Beispielsweise kommen die Musiker*innen und Künstler*innen aus verschiedenen Genres und haben internationale Hintergründe.
Ich bin für die Programmgestaltung verantwortlich, aber nehme auch Vorschläge aus dem Team und dem Vorstand auf. Bei der Zusammenstellung des Programms ist neben der Vielfältigkeit das wichtigste Kriterium, dass nicht nur etablierte Künstler*innen, sondern auch Newcomer*innen die Möglichkeit eines Auftrittes bekommen. Unser Programm soll offen, demokratiefördernd, zielgruppengerecht und anspruchsvoll sein.
Der Kulturbunker ist ein Ort von überregionaler Reputation. Selbst Altın Gün, die weltweit auf den größten Festivals spielen, waren vom Charme dieses Ortes überwältigt und gaben in einer für sie äußerst kleinen Halle ein exklusives Konzert. Welche Eigenschaften des Kulturbunkers überzeugen bekanntere Künstler*innen, dort aufzutreten, obwohl es in Mülheim mehrere Veranstaltungshallen gibt, die mehrere Tausend Besucher*innen fassen?
Wir hören in letzter Zeit immer häufiger vom Publikum und von den Künstler*innen, dass sie gerne hier auftreten bzw. Konzerte, sowie andere Kulturveranstaltungen bei uns besuchen. Das freut uns natürlich sehr, weil das eine Anerkennung unserer Arbeit ist und es uns motiviert, weiterzumachen. Ich denke der Grund dafür ist, dass wir es inzwischen geschafft haben, sowohl mit den Besucher*innen als auch mit den Künstler*innen, eine Beziehung auf Augenhöhe aufzubauen. Unser Programm bildet die Vielfältigkeit der Gesellschaft ab. Somit fühlt sich keiner ausgeschlossen. Das erzeugt eine positive Atmosphäre im ganzen Haus, was sich auf alle überträgt. Unsere neuen Pächterinnen im Café tragen viel zu der positiven Atmosphäre im Haus bei. Sie sind gute Gastgeberinnen, die versuchen, die kulinarischen Wünsche der Besucher*innen und Künstler*innen zu erfüllen.
Im Frühjahr organisierte der Kulturbunker erstmalig ein alternatives Newroz-Fest – das Frühlings- und Neujahrsfest in vielen Regionen des nahen Ostens. Wie kam die Idee zustande und wie lief es?
Die Idee, im Kulturbunker ein Newroz-Fest zu feiern, ist spontan mit einigen Künstler*innen und Besucher*innen entstanden. Dazu haben wir uns mit freiwilligen Unterstützer*innen getroffen und innerhalb weniger Wochen ein alternatives Programm aufgestellt. Es gab ein Bühnenprogramm mit Konzerten, Lesungen und einem Büchertisch. Das Newroz-Feuer durfte natürlich auch nicht fehlen. Es war ein rundum gelungenes Fest, an dem Menschen verschiedenster Kulturen und Hinter-
gründe, aus Köln und Umgebung, bei schönem Wetter im Biergarten unseres Cafés mit traditionellen Gerichten aus den entsprechenden Regionen teilnahmen. Es tanzten Menschen in Trachten mit Hipster*innen Hand in Hand Halay, den türkischen Volkstanz.
Der Kulturbunker bietet ein buntes und diverses Programm. Kommt es mal vor, dass Einigen das Programm „zu bunt“ ist? Wie sind die Reaktionen des Publikums? Gab es Konflikte bei der Neugestaltung des Programms?
Das Programm des Kulturbunkers war nie vielfältiger und diverser als jetzt und wir hatten noch nie so viel Zuspruch und Publikum wie aktuell. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Gerade jetzt versuchen alle Organisationen mit großem Aufwand diverser zu werden – wir sind es bereits.
Die Kulturpolitik von Kommune, Land und Bund, die Dachverbände, wie zum Beispiel der Bundes- und Landesverband der Soziokultur oder die kulturpolitische Gesellschaft, fördern die Diversität und die Vielfalt in den Kulturzentren. Es ist für viele Kulturhäuser schwierig, ihr bestehendes Programm zu ändern und an die gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen.
Um die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden, ist die Diversität im Teams wichtig. Ausschlaggebend ist aber die Diversität der Menschen in Entscheidungs- und Gestaltungspositionen. Der Kulturbunker ist, was die Mitarbeiter*innen angeht, ein kleines Zentrum. Allerdings hat sich das Programm und Publikum in den letzten sechs Jahren entwickelt und vervielfältigt. Daher benötigen wir dringend Verstärkung im Team.
Meine Migrationsgeschichte als Programmleiterin und Vorstandsmitglied hat für viele Veranstalter*innen und Künstler*innen die Türen geöffnet. Ich kann inzwischen sagen, dass Diversität die Grundlage unserer Arbeit auf fast allen Ebenen ist.
Und ja, es gab Konflikte, weil das Programm sowie Publikum sehr bunt und divers geworden ist. Einige alteingesessene Mülheimer*innen und Mitglieder haben sich daran gestört gefühlt und sich bei der Stadt beschwert. Der Schlichtungsprozess hat uns viel Kraft gekostet, die wir lieber in unsere Weiterentwicklung gesteckt hätten. Glücklicherweise haben uns in dieser Sache Kommune und Dachverbände Rückendeckung gegeben. Auf dieser Basis konnten wir unsere Arbeit fortsetzen.
Ein Großteil der Veranstaltungen (z. B. die Sommerkonzerte) kann man kostenlos besuchen. Ich denke, dass dies auch zur Sozialstruktur des Veedels passt. Der Kulturbunker wird zwar von der Kommune gefördert, jedoch hört sich das nach schwierigen Bedingungen an. Wie schafft der Kulturbunker das?
Als soziokulturelles Zentrum ist es unser Ziel und unsere Aufgabe, Kunst und Kultur für alle Menschen im Stadtteil zugänglich zu machen. Viele Menschen aus dem Stadtteil können es sich finanziell nicht leisten, Kulturveranstaltungen zu besuchen. Gerade für diese Menschen ist es wichtig, niederschwellige Veranstaltungen anzubieten, auch wenn dies aktuell für uns eine finanzielle Herausforderung darstellt. Die politische Entwicklung zeigt, wie wichtig Kunst und Kultur für die Demokratiebildung und den Zusammenhalt in der Gesellschaft sind.
Das Haus und die Betriebskosten werden glücklicherweise von der Kommune übernommen. Die Kosten für das Personal und das Programm erwirtschaften wir selbst. Das sind zwei Drittel der Gesamtausgaben und somit eine enorme Herausforderung. Die Summe, die wir selbst erwirtschaften müssen, ist sehr hoch und abhängig davon, welche Fördergelder wir beantragen können. Ein Teil unserer Kosten decken wir über Vermietungen und Verpachtungen. Den Hauptteil finanzieren wir über Projektgelder, die jedes Jahr neu beantragt werden müssen. Das führt dazu, dass die Mitarbeiter*innen nicht tariflich bezahlt werden und die Künstler*innen keine marktüblichen Honorare bekommen, welche wichtig für ein gutes, ausgewogenes Programm sind.
Daher stellen wir immer wieder Projektanträge auf Fördergelder. Erst nach Bewilligung können wir das Programm zusammenstellen, weshalb wir keine Planungssicherheit haben, welche ich mir jedoch sehr wünschen würde.
Welchen Herausforderungen hat sich der Kulturbunker erfolgreich gestellt und mit welchen ist er aktuell konfrontiert?
Wir sind in den letzten Jahren, trotz finanziellen und personellen Engpässen, vom Nachbarschaftsverein zu einem vielbeacheten soziokulturellen Zentrum gewachsen. Die Zahl der Veranstaltungen und der Besucher*innen hat sich trotz fast gleichbleibender Bezahlung und Teamgröße vervielfältigt. Die schlechte Bezahlung stellt für das Team eine große Herausforderung dar, da es dadurch schwierig ist, qualifizierte Mitarbeiter*innen zu finden.
Und leider sind es immer Frauen, die schlecht bezahlte Arbeit in den Kulturzentren annehmen, obwohl diese Zentren teilweise mehr Menschen erreichen, als die großen Kultur-Institutionen, wo die Leitung meist männlich besetzt und entsprechend bezahlt ist. Einmal mehr führt uns dies die ungleiche Behandlung und Bezahlung von weiblicher und männlicher Arbeit vor.
Inzwischen können wir das Aufkommen der Veranstaltungen und das Interesse vom Publikum und den Künstler*innen, mit dem bestehenden Team, kaum mehr bewältigen und brauchen dringend monetäre Unterstützung von der Stadt.
Was steht demnächst auf dem Programm des Kulturbunkers? Welche neuen, spannenden Projekte wird es geben?
Neben regelmäßigen Konzerten – wie Sommerkonzerte im Biergarten - mit Künstler*innen und Bands aus verschiedenen Genres und Hintergründen, haben wir Performance-Kunst von lokalen bis internationalen Künstler*innen. Zuletzt sind sich im Rahmen von Black Kit – International Performance Art Archive – auf dem Marktplatz und anschließend im Saal zwei Künstler*innen aus Kanada und USA erstmalig begegnet. Wir haben regelmäßig Theateraufführungen von freien Ensembles,
die u. a. in Deutsch, Kurdisch, Türkisch, Armenisch und Bulgarisch stattfinden.
Wir haben auch längerfristige partizipative Projekte und Projekte für kulturelle Bildung, wie zuletzt:
- Mülheimer Heimatministerium
- Dein Traum Mülheim (Theater Projekt für junge Erwachsene)
- Schlag auf Schlag (Jugend Tanzprojekt)
- Urban Gardening (Nachbarschaftsprojekt)
- Schreibwerkstatt
- Dramaturgisches Schreiben (Digitales Schreibprojekt für junge Erwachsene)
Aktuell läuft unter anderem das vom Bund geförderte Projekt „Art Base Cologne“ für Künstler*innen, die bisher wenige Auftrittsmöglichkeiten und Kontakte im Kulturbetrieb hatten. Schon jetzt unterstützen wir viele Künstler*innen, denen unser Netzwerk und Know How sehr hilft.
Wir haben ein weiteres Projekt in Kooperation mit Interkultur e.V. zur Strukturbildung innerhalb der Zentren. Hier wollen wir mit externen Berater*innen, die steigenden Ansprüche und Herausforderungen an das Haus und die Mitarbeiter*innen evaluieren und die Kompetenzen und Verantwortungsbereiche neu verteilen. Ein weiterer Themenbereich soll die Vereinsarbeit hinsichtlich Transparenz und Partizipation sein. Gemeinsam wollen wir die Stärken und Kompetenzen beider Häuser schärfen und bündeln, um für den Stadtteil bedarfsorientierter handeln zu können.
Im September findet „Beewarenes“ als Bienenprojekt für Groß und Klein statt. In verschiedenen Vorträgen, Filmen und Bastelworkshops wollen wir die Teilnehmer*innen für die immense Bedeutung der Biene für unser Ökosystem informieren und sensibilisieren. Die Idee des Projektes kam von einem engagierten Vereinsmitglied und wird durch bezirksorientierte Mittel finanziert.
Was siehst du als größte Herausforderung in der nächsten Zeit?
Die größte Herausforderung steht uns mit der umfänglichen Sanierung des Kulturbunkers bevor. 2019 haben wir mit der Kommune ein Sanierungsantrag im Rahmen des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes „Starke Veedel – Starkes Köln“ beim Land gestellt. 2020 sollten die Sanierungsplanungen beginnen und 2022 eigentlich schon beendet sein, aber dann kam Corona... Ich denke, den Rest muss ich nicht ausführen. Seitdem warten wir auf die Sanierung, die sich aufgrund der aktuellen Situationen immer weiter verzögert. Das erschwert nochmal unsere Planung.
Wo siehst du den Kulturbunker in zehn Jahren?
Ich sehe ein modernes, soziokulturelles Zentrum, wo die Menschen sich auf Augenhöhe begegnen, Kunst und Kultur genießen, gestalten, produzieren und sich repräsentieren können.
Zudem sehe ich hohe Wertschätzung und ein ausreichendes Budget für die wichtige Arbeit der Kulturzentren in den Stadtteilen – nicht zuletzt faire Bezahlung für Mitarbeiter*innen und Künstler*innen.
Danke für das Gespräch!
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