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„Im Kind ist Freiheit allein“

Der Fotowettbewerb des Hölderlin-Gymnasiums zeigt, was 14- bis 19-Jährige gerade mit Freiheit verbinden

1. Preis Ela Seyhan (15) Vietnam
1. Preis Ela Seyhan (15) Vietnam

von Marita Odia

Fotos aus dem Wettbewerb des Hölderlin Gymnasiums

 

Was verbinden Jugendliche mit dem Begriff „Freiheit“? Das Mülheimer Hölderlin-Gymnasium stellte diese Frage und lud Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren ein, als Antwort Fotos zu gestalten. Der Inspiration sollte ein Dichterzitat von Friedrich Hölderlin dienen. 23 Schüler aus 8 Schulen reichten ihre Arbeiten ein. Eine hochkarätige Jury beurteilte die Aufnahmen. 

 

Auf dem Gewinnerbild ist auf den ersten Blick kein Kind zu sehen. Dafür ein merkwürdig verlassener Kinderspielplatz. Ein Haus im Hintergrund. Davor einige Menschen, man erkennt nicht auf Anhieb, was sie tun. Im Vordergrund steht ein knalloranges Plastikschaukelpferd auf einem blau-grauen Boden, der fast wie ein Teppich aussieht, eingegrenzt von Metallpfosten. Fotografin Ela Seyhan (15) hat das Schaukelpferd im vergangenen Winter auf einer Reise nach Hanoi (Vietnam) fotografiert. Es hatte seinen Platz auf einem Hinterhof, auf dem ein Straßenmarkt für Einheimische stattfand. Nach dem Aufruf des Hölderlin-Gymnasiums hat sie in ihren Reiseaufnahmen nach einem passenden Bild zum Zitat des Dichters Friedrich Hölderlin gesucht und mit der Marktszene den ersten Platz geholt. 

 

Friedrich Hölderlin, Namenspatron des Gymnasiums in der Graf-Adolf-Straße, hätte 2020 seinen 250. Geburtstag gefeiert. Seine Kindheit war wahrscheinlich nicht sehr fröhlich. Friedrichs Vater starb, als er zwei Jahre alt war. Mit neun Jahren verlor er auch seinen Stiefvater. Dennoch muss er in seinem späteren Leben die Kindheit als die leichtere und freiere Lebensphase empfunden haben. Er schreibt in seinem Roman Hyperion: „Der Zwang des Gesetzes und des Schicksals betastet es nicht: Im Kind ist Freiheit allein.“ Während dieser Satz entstand, verdiente Friedrich Hölderlin seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer. Das heißt, er unterrichtete die Kinder reicher Eltern ganz ohne Schulen oder Klassen in ihrem Elternhaus. Nach neun Monaten Corona ist Lernen im Elternhaus auch heutigen Schülern nicht mehr fremd. 

Foto: Antonia Saure (16)
Foto: Antonia Saure (16)
Foto: Lily Franzke (14)
Foto: Lily Franzke (14)
Foto: Faruk Altinok (17)
Foto: Faruk Altinok (17)

3. Preis Sonja Kisseljow (18)
3. Preis Sonja Kisseljow (18)

Theo Saurer (14) vermisste im Lockdown vor den Sommerferien seine Freunde und seine Hobbies. Doch auch ohne Präsenzunterricht gab es für ihn in der Woche reichlich zu tun. Am Wochenende ersetzten Spaziergänge mit der Familie das Fußballspiel mit Freunden. Mit dem Hölderlin-Zitat im Sinn kam ihm eine Bildidee. Ein Stacheldraht am Wegrand war der Auslöser. Theo sprang über den Drahtzaun und nahm sich und seinen Freiheitsdrang dabei auf – zweiter Platz im Fotowettbewerb.

 

Elas und Theos Bilder und alle anderen eingereichten  Aufnahmen werden noch in diesem Herbst in einer Open-Air-Ausstellung des Hölderlin-Gymnasiums im angrenzenden Mülheimer Stadtpark zu sehen sein. Lehrer Michael Wagener ist Mitorganisator des Fotowettbewerbs und hat die Ausstellung gestaltet. Wagener unterrichtet seit fünf Jahren Kunst und Deutsch am Hölderlin-Gymnasium. Den Fotowettbewerb schreibt die Schule schon seit mehreren Jahren aus. Michael Wagener gefällt besonders, dass die Schüler hier ganz in Eigenregie Kunstwerke gestalten. „Da ist keine Kontrolle durch Lehrer nötig, alles passiert in Eigenregie“ berichtet der Pädagoge stolz.

 

Das Hölderlin-Gymnasium bietet allen Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe 1 die Möglichkeit, ihr Potenzial bestmöglich zu fördern. Dazu werden sie ab Klasse 7 in „Profilklassen“ eingeteilt, in denen ihre Interessen und Begabungsschwerpunkte intensiv gefördert werden. Eine Besonderheit dieses Konzeptes: Neben einer zweisprachigen oder einer naturwissenschaftlichen Klasse kann auch ein künstlerisch-kultureller Zweig besucht werden, der dem kreativen Umgang mit Sprache, Musik, Bewegung und bildhafter Gestaltung besonderen Raum bietet.  

Outdoor-Ausstellung im Mülheimer Stadtpark am 1. Oktober 2020.
Outdoor-Ausstellung im Mülheimer Stadtpark am 1. Oktober 2020.

Foto: Elena Hawemann
Foto: Elena Hawemann
Foto: Raphael Dick
Foto: Raphael Dick
Foto: Mara Kayser
Foto: Mara Kayser
Foto: Oliver Glaser
Foto: Oliver Glaser
Foto: Zahra Issa
Foto: Zahra Issa
Foto: Marco Yeh
Foto: Marco Yeh
Foto: Sophie Joerdans
Foto: Sophie Joerdans

Brigitta von Bülow ist Lehrerin am Hölderlin-Gymnasium und hat den Fotowettbewerb ins Leben gerufen. Nachdem Corona den Schulbetrieb und das öffentliche Leben überhaupt umgekrempelt hat, musste auch die Planung für den Wettbewerb neu gedacht werden. Eine Siegerehrung zur Kölner Photoszene, einem Teil der Photokina, wäre bestimmt sehr spannend gewesen, musste aber ausfallen – wie die ganze Messe. Die hochkarätig besetzte Jury des Fotowettbewerbs tagte – wie so viele andere auch – in der Videokonferenz. Begeistert waren alle Beteiligten von der hohen Qualität der eingereichten Arbeiten. 

 

Für Ela und Theo ist der Sieg im Wettbewerb „keine große Sache“, sie haben auch in Familie und Bekanntenkreis darum kein Aufsehen gemacht. Aber stolz können sie auf jeden Fall auf ihre Bilder sein. Genau wie Sonja Kisseljow (18), die den dritten Platz belegte mit dem Bild eines kleinen Mädchens, das völlig in sein Spiel versunken ist. Genauso, wie Hölderlin es in seinem Roman schrieb: Unberührt von Zwängen und Schicksalsschlägen kann ein Kind sich völlig frei in einem Spiel bewegen oder in seine Gedanken versinken.

 

Auf den nächsten Fotowettbewerb des Hölderlin-Gymnasiums kann man schon jetzt gespannt sein.

2. Preis: Theo Saurer (14)
2. Preis: Theo Saurer (14)

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