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Geschichtsträchtig

F & G Verwaltungsgebäude bekommen ein Update

Ehemalige Verwaltungsgebäude von F & G an der Schanzenstraße in Köln-Mülheim. Foto: Eva Rusch
Ehemalige Verwaltungsgebäude von F & G an der Schanzenstraße in Köln-Mülheim. Foto: Eva Rusch

Sebastian Kahl (Jamestown) im Interview mit Eva Rusch (Mülheimia Quarterly) zum Erwerb der historischen Liegenschaften der Felten & Guilleaume (F & G) an der Schanzenstraße in Köln-Mülheim.

 

Jamestown wurde 1983 vom Kölner Unternehmer Christoph Kahl gegründet und ermöglicht deutschen Privatanlegern den Erwerb von Immobilienanteilen in den USA. Seit 2019 ist Jamestown auch in Europa aktiv und hat Ende 2020 die Schanzenstraße 22, 24 und 28 erworben. Es handelt sich insgesamt um knapp 35.000 Quadratmeter, in erster Linie Büroflächen. Mülheimia hat Sebastian Kahl in der Schanzenstraße 22 zum Interview getroffen. Sebastian Kahl studierte BWL und Finance an der Universität zu Köln. Nach seinem Abschluss stieg er bei Jamestown als Asset Manager für die Liegenschaften in Köln-Mülheim ein. Das Gespräch drehte sich um Pläne und Visionen auf der Schanzenstraße, aber auch um die Sorge, dass die neuen Entwicklungen am Standort die Gentrifizierung vorantreibe und die alte Bevölkerung und Geschäftsleute isoliere. 

 

Sebastian Kahl in der Schanzenstraße 22. Foto: Sonja Niemeier
Sebastian Kahl in der Schanzenstraße 22. Foto: Sonja Niemeier

ER: Guten Tag Herr Kahl. In Ihrer Unternehmensdarstellung schreiben Sie von einem Konzept, das Jamestown entwickelt hat und auch in Europa anwenden möchte. Da bin ich neugierig. Was ist damit gemeint? 

 

SK: Wir haben in den vergangenen 15 bis 20 Jahren viel Erfahrung mit Revitalisierungsprojekten in den USA gesammelt, die wir nun auch in Europa nutzen möchten. Dabei handelt es sich häufig um ehemalige Industrieareale aus der Gründerzeit oder auch Hafengebäude und Lagerhäuser. Oft liegen sie brach, weil sie zum Beispiel im städtischen Eigentum liegen und keiner eine richtige Idee hat, was man damit machen kann. Unser Ansatz ist es, diese verlassenen Gebäude neu zu entwickeln, neu zu denken und in die heutige Zeit zu überführen. Dabei reißen wir die alten Gebäude, die häufig eine bedeutende Historie haben, nicht ab. Bei vielen Objekten wäre es viel einfacher das Gebäude »platt zu machen« und neu zu bebauen. Denn da hat man eine gewisse Kostensicherheit. Wir lieben es jedoch, diesen Industriecharme wieder zum Leben zu erwecken. Im Grunde genommen muss man für solche Projekte, einen ganzheitlichen Ansatz haben. Dieser setzt sich aus verschiedenen Herangehensweisen zusammen. 

 

ER: Welche Aspekte gehörten zu diesem ganzheitlichen Ansatz?

 

SK: Wir haben als Anspruch, nicht nur eine Aneinanderreihung von Gebäuden zu entwickeln, sondern einen lebendigen Standort zu schaffen. Dafür ist es wichtig, dass die Projekte eine Bereicherung für alle darstellen. Dazu streben wir einen individuellen Mieter-Mix an, der zum Standort passt und beziehen die Kommunen und die Nachbarschaft mit ein. 

 

Bei Chelsea Market in New York haben wir beispielsweise an Menschen aus einkommensschwächeren Nachbarschaften Praktika bei Unternehmen vermittelt, die bei uns Mieter waren. Um so den Austausch herzustellen, und soziale Barrieren abzubauen. 

 

Ein sehr wichtiger Aspekt ist außerdem die gewachsene Historie, z. B. hier die Geschichte von Felten & Guilleaume, zu berücksichtigen. Mit der muss man sich erst mal beschäftigen. Wir respektieren die Historie des Standortes und versuchen diese zu integrieren. Das äußert sich dann darin, dass wir in unseren Objekten häufig historische Elemente ausstellen. Das können z. B. alte Maschinen sein, die wir dann ausstellen, um den Mietern und Besuchern die Geschichte des Standorts zu erzählen. Die Gebäude sind ja schon wesentlich länger da als wir alle und hatten bzw. haben häufig auch eine große Bedeutung für die Nachbarschaft. Dadurch, dass man die Historie ins Konzept integriert und die Gebäude »wachküsst« bleibt bei vielen Menschen aus der Nachbarschaft die Identifikation mit den Gebäuden erhalten. 

 

 

ER: Sie haben eben den »Mietermix« angesprochen. Welche Mieterschaft streben Sie an? Der Kiosk hier hat mich überrascht, der ist dann aber Teil dieses Konzepts?

 

SK: Grundsätzlich streben wir eine gemischte Nutzung an. Das äußert sich bei uns meistens darin, dass wir im Erdgeschoss Gastronomiekonzepte und kulturelle Angebote mit einbauen. In den Geschossen darüber sind dann Büros oder auch Wohnungen angesiedelt. Dieser Mix befruchtet sich gegenseitig; die Büro- und Wohnungsmieter haben kurze Wege zu gastronomischem und kulturellem Angebot und die Betreiber der Restaurants haben einen gewissen Kundenstamm, der von vornherein im Gebäude ist. So findet ein Austausch statt und es entwickelt sich eine eigene Dynamik.

 

Bei unseren Gebäuden in der Schanzenstraße ist das gastronomische Angebot noch sehr limitiert. Wir sind froh, dass wir zumindest den Kiosk haben, der unsere Mieter und die Nachbarschaft versorgt. Wir haben zusammen mit dem Betreiber kürzlich die Außenflächen des Kiosks neu gestaltet und mit neuen Möbeln ausgestattet. Neue Pflanzen und Lichterketten sollen bald noch folgen. 

 

Beliebter Treff für Mitarbeitende und Studierende an der Schanzenstraße ist das caffe kiosk. Foto: Eva Rusch
Beliebter Treff für Mitarbeitende und Studierende an der Schanzenstraße ist das caffe kiosk. Foto: Eva Rusch

ER: Was ist Ihnen bei ihren Mieter*innen aus dem gastronomischen Bereich wichtig? Wie wählen Sie sie aus?

 

SK: Wir versuchen gerade bei den gastronomischen Angeboten nur einzigartige Konzepte zu gewinnen, was häufig über lokale und familiengeführte Gastronomien möglich ist. Bei uns im Portfolio finden Sie kaum große Gastronomieketten. Denn da wäre es völlig egal, ob ich in Köln-Mülheim oder Rio de Janeiro bin, der McDonalds sieht von innen immer gleich aus. Wir wollen Orte schaffen, die einzigartig sind. Und das kann man nur, wenn man lokale, abwechslungsreiche Konzepte integriert. Das ist ein wichtiges Puzzleteil im Gesamtkonstrukt. 

 

 

ER: Das es nicht ab 17 Uhr geisterhaft wird und nichts mehr los ist? 

 

SK: Genau. Das ist häufig in reinen Büroquartieren der Fall. Dann ist nachts oder am Wochenende niemand da. Wir streben eine Aktivierung an, die länger dauert als ein Bürotag. Ziel ist es, ein lebendiger Standort zu sein.

 

 

ER: Nun zurück zu unserem Quartier: Was möchten Sie in der Schanzenstraße investieren? Welche Neuerungen erwarten uns? Ich habe schon gehört, dass hier hinter im Hof etwas gemacht wird.

 

SK: Die Voreigentümer haben schon einen beeindruckenden Job gemacht und das Quartier von einem Industrieareal in ein Medienzentrum entwickelt. Wir setzen jetzt unseren Fokus darauf, dass wir unseren aktiven Managementansatz einbringen. Das bedeutet, dass ein gewisses Programm für unsere Mieter in Form von kostenlosen Yogastunden oder auch Sportstunden anbieten. Der Schanzenstraße art club ist ein weiteres Beispiel, hier organisieren wir Führungen durch die Flora oder durch Museen. Unsere Mieter können sich hier einfach anmelden und kostenlos teilnehmen. Das sehen wir als Mehrwert für unsere Mieter an.

 

Studierende und Lehrende des Cologne Game Lab in der Schanzenstraße treffen sich am Neptunplatz. Foto: Eva Rusch
Studierende und Lehrende des Cologne Game Lab in der Schanzenstraße treffen sich am Neptunplatz. Foto: Eva Rusch

ER: Was bieten Sie ihren Mieter*innen außerdem?

 

SK: Wir sind dabei die Allgemeinflächen neu zu gestalten. Zum Beispiel den Innenhof des Gebäudes, in der die ifs, das CGL oder Radio Köln Mieter sind. Hier kommt im Herbst ein neues Pflanzen- und Farbkonzept und wir schaffen zusätzliche Aufenthaltsflächen. Wir wollen, dass sich unsere Mieter wohl fühlen und dazu gehört eben auch, dass das nicht nur auf der eigenen Mietflächen stattfindet, sondern auch auf den Allgemeinflächen. Hier in der Schanzenstraße 22 haben wir kürzlich eine Mieterlounge eingerichtet und mit unseren »Schäl Sick Motiven« dekoriert. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir in denkmalgerechte Fassadensanierung und Dachsanierung investieren. Da sind die Gebäude doch etwas in die Jahre gekommen.  

 

 

ER: Ihr Gelände ist in direkter Nachbarschaft zum »ehemaligen Güterbahnhof« und liegt in der Mitte von den gemischten Quartieren um die Berliner Straße und Keupstraße. Wie schätzen Sie die Entwicklung dieser umgebenden Quartiere ein? Was wünschen Sie sich? 

 

SK: Also ich persönlich wünsche mir, dass sich das Gewerbequartier und die Wohnviertel nicht im Kontrast entwickeln. Ich glaube es ist wichtig, dass der Gewerbestandort hier, der derzeit nur durch Gewerbe geprägt ist, auch spannend bleibt für die Wohnbevölkerung drum herum. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass sich alle hier am Gewerbestandort – wir miteingeschlossen – ihrer gesellschaftlichen Verantwortung als Immobilienentwickler bewusst sind. Wir müssen alle einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu einer Segregation zwischen prosperierendem Gewerbestandort und den umliegenden Wohnquartieren kommt. Spannend ist in diesem Kontext die Erhaltungssatzung im Gebiet Mülheim Süd-West, die die Stadt Köln im März verabschiedet hat. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich bewährt und ob sie auch hier in Mülheim-Nord ein Mittel sein kann, um die soziale Balance zu sichern.

 

Die Fernsehstudios an der Schanzenstraße von der Rückseite betrachtet. Foto: Eva Rusch
Die Fernsehstudios an der Schanzenstraße von der Rückseite betrachtet. Foto: Eva Rusch

 ER: Die finden Sie also gar nicht so schlecht? Manche sind völlig dagegen und sagen, das blockiere alles.

 

SK: Man kann das so und so sehen. Persönlich finde ich es wichtig, dass Eigentümer ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und dazu gehört auch, dass man die Wohnbevölkerung nicht mit absurd hohen Mieten vertreibt. 

 

 

ER: Gut, da gibt es das Mittel der Sozialen Erhaltungssatzung und da gibt es auch das Mittel der Vermieter*in und der Hausbesitzer*in zu sagen: »Jetzt dreh mal nicht durch mit deinen Renditevorstellungen.«

 

SK: Ich bin kein Fan von Extremen. Wenn man extreme Regeln fährt, dann hat man meist extreme Auswirkungen in die eine oder in die andere Richtung. Ich bin davon überzeugt, dass es nur miteinander geht. Am Ende muss man als Vermieter ein Gespür dafür haben, was eine Miete für jeden Einzelnen bedeutet und man sollte nicht auf dem Mond leben. Zeitgleich ist es auch klar, dass man es von einer »Fünf-Euro«-Miete schwer hat, ein Gebäude in Stand zu halten und energetische Sanierungen durchzuführen. Da muss man einen Mittelweg finden. 

 

 

ER: Haben sie konkrete Ideen für ein Engagement, das der sozialen Verantwortung gerecht wird? Gibt es Ansätze?

 

SK: Wir haben u. a. mit dem Don-Bosco-Club vereinbart, dass wir ihn unterstützen. Konkret: Sie wollten einen Musikraum renovieren und wir haben zugesagt die Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. Das ist eine der Initiativen und wir wollen unsere Tätigkeiten nicht nur auf Mülheim beschränken. Wir unterstützen beispielsweise auch den Kölner Kulturpreis. 

 

 

ER: Zu den Themen Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Klimawandel. Da nimmt die Immobilienwirtschaft eine wichtige Rolle ein. Nun arbeiten Sie im Bestand, das ist schon mal gut, aber ich denke auch solch ältere Häuser haben ihre Tücken. Haben sie bestimmte Konzepte, was sich in einer Bestandsimmobilie verbessern lässt?

 

SK: Sie haben das völlig richtig erkannt. Es ist auf der einen Seite gut, dass wir mit Bestand arbeiten. Dadurch, dass wir nicht neu bauen, verursachen wir keine zusätzlichen CO2-Emissionen, die im Neubau heute häufig noch anfallen. Aber: Damals, als die Gebäude gebaut wurden, hatte man mit Klimaschutz noch nicht so viel am Hut. Daher ist es wirklich eine Herausforderung, ältere Bestandsgebäude wie hier an der Schanzenstrasse energetisch zu optimieren. Durch Energie-Monitoring, Sensoren und die richtige Zählerstruktur, sehen wir erst, was eigentlich im Gebäude passiert. Diese Datenbasis zu haben, ist Voraussetzung dafür, dass man auch etwas verbessern kann.

 

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt sind Modernisierungsmaßnamen. Mit den geplanten Investitionen in die Dach-, Fenster- und Fassadensanierung, werden wir auch zusätzliche Wärmedämmung mit anbringen. Wir überlegen zudem eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu installieren. Eventuell lassen sich Teile des Daches auch als begrünte Flächen gestalten. Dazu kommen zusätzlich Themen wie Mobilitätskonzepte und E-Ladeplätze. Wir haben auch eine Studie zum Entsorgungskonzept gemacht, sodass bspw. der Abhol-Turnus der Müllabfuhr so optimiert wird, dass sie nur kommt, wenn die Mülltonnen voll sind. 

 

 

ER: Wie ist mit der Zusammenarbeit mit den Immobilienentwicklungsgesellschaften hier vor Ort bestellt, zum Beispiel mit der BEOS oder ID/Cologne? Gibt es Chancen, dass z. B. die Verkehrssituation verbessert wird, gerade auch bei großen Events. Gibt es Überlegungen, gemeinsam zu agieren und zu kommunizieren?

 

SK: Nachbarschaft bedeutet für uns auch, dass wir uns mit den anderen Akteuren vor Ort austauschen. Wir machen das insbesondere mit der Art-Invest. Die Yogastunden für unsere Mieter haben wir gemeinsam organisiert. Wir stehen im regelmäßigen Austausch und haben das Ziel, eine Art Nachbarschaftsstammtisch einzurichten. Themen, die uns alle betreffen, u. a. auch Mobilität, diskutieren wir ebenfalls gemeinsam. Zusammen können wir mehr bewegen als jeder einzelne. Neben Art-Invest sind wir auch mit der BEOS und mit Gentes im Austausch und haben ebenfalls einen guten Draht zu den weiteren Akteuren im Quartier.

  

Blick vom Neptunplatz: Schäl Sick Motive an dem ehemaligen Portiershäuschen, das heute ein Kiosk beherbergt. Foto: Eva Rusch
Blick vom Neptunplatz: Schäl Sick Motive an dem ehemaligen Portiershäuschen, das heute ein Kiosk beherbergt. Foto: Eva Rusch

ER: Das sind wichtige Standort-Themen: Gemeinsame Interessen auszuloten, auch zum Beispiel mit den Geschäftsleuten der Keupstraße. Jetzt haben wir noch den Ausblick. Hat Jamestown noch weitere Pläne, speziell hier im Rechtsrheinischen?

 

SK: Es ist kein Zufall, dass wir unser erstes Objekt in Köln auf der Schälsick gekauft haben und nicht in der Innenstadt. Der Industriebestand auf der rechen Rheinseite ist wirklich faszinierend. Das ist ja genau unser Immobilientyp. Wir hatten letztes Jahr versucht, das KHD Areal an der Deutz-Mülheimer Straße zu erwerben, aber da hat die Stadt Köln ihr Vorkaufsrecht genutzt. Dennoch haben wir weitere Pläne für die rechte Rheinseite, da es hier einen Bestand an Gebäuden gibt, die unserem Anforderungstyp entsprechen. Ich bin mir sicher, dass es da noch weiter Möglichkeiten geben wird.

 

 

ER: Herzlichen Dank!

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